Der Innere Kritiker: Was könnte seine Botschaft sein?
- Vanessa K
- vor 6 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Vermutlich kenne ihn viele von uns - diesen inneren Kommentator, der uns mal laut, mal leise, ab und zu oder auch ständig Dinge sagt, wie z.B.: „Das reicht so nicht.“ oder „Das hättest du besser machen müssen.“ oder „Warum hast du denn so einen Mist gemacht?“. Oft gehen Kommentare wie diese auf das Konto eines inneren Anteils, den „Innere Kritiker“*, zurück.

Er zeigt sich oft hart, macht uns klein und setzt uns herab. Gerne hat er den Perfektionismus an seiner Seite. Zeigt er sich und lässt seine Tiraden los, so ist unser Impuls womöglich, ihn abschalten, im Sinne von verdrängen, oder wir nehmen das, was er sagt, für bare Münze und lassen uns zu Höchstleistungen anspornen. Manchmal führt es auch ins Gegenteil und wir verkriechen uns lieber und fangen mit einer Sache gar nicht erst an, weil die Kritik natürlich auch weh tun kann. Alles nachvollziehbare Reaktionen. Vielleicht ist es aber tröstlich zu wissen, dass er zum einen vielen von uns bekannt ist und zum anderen, dass er - es mag schwer zu glauben sein - uns häufig beschützen möchte. Er ist so gesehen nicht unser Feind, sondern ein Teil von uns, der eine eigene Geschichte hat.
Wie macht er sich bemerkbar?
Der Innere Kritiker zeigt sich z.B. in Momenten der Unsicherheit: vor Präsentationen, bei kreativer Arbeit, in Beziehungen, Freundschaften und im Familienleben. Seine Stimme klingt vielleicht wie ein strenger Lehrer oder ein überkritischer Elternteil und selten liebevoll oder unterstützend. Typische Gedanken, die dann auftauchen, sind:
„Das kannst du eh nicht.“
„Du bist nicht gut genug.“
„Was denken die anderen über dich?“
Woher kommt er?
Der Innere Kritiker entsteht oft durch Kindheitserfahrungen und festigt sich womöglich durch spätere belastende Erlebnisse. Vielleicht wurde im Elternhaus Leistung an Liebe gekoppelt oder Fehler nicht als Möglichkeit zu lernen, sondern als Schwäche bewertet. Der Kritiker hat gelernt: Nur, wenn ich gute Leitungen erbringe, bin ich sicher. Seine Absicht ist daher, uns, wie erwähnt, zu schützen. Auch, wenn sein Ton dabei leider häufig (noch) verletzend ist.
Wie können wir mit ihm umgehen?
Ihn dauerhaft zu bekämpfen oder zu verdrängen, macht ihn leider, wie viele Gefühle bzw. Anteile, nur größer. Daher kann es hilfreich sein, dem Kritiker zuzuhören – aber ihm nicht automatisch zu glauben, was er sagt.
Frag dich bzw. ihn: Was ist gerade die Botschaft dieses Anteils? Was will er in dem Moment eigentlich beschützen? Was braucht er vielleicht gerade? Und was brauche ich?
In jedem Kritiker steckt auch ein Potenzial: Klarheit, Reflexion, Wille zur Weiterentwicklung. Wenn wir lernen, ihn in Balance zu bringen, kann aus dem Gegner nach und nach sogar ein innerer Berater werden. Das erfordert oft erstmal etwas Geduld. Und: Ein freundlicher Umgang mit dem Kritiker bedeutet nicht, ihm das Steuer zu überlassen – sondern ihm vielmehr einen Platz zu geben, ohne dass er den ganzen Raum einnimmt. Denn Chef in deinem inneren Team bist du selbst.
Wenn du noch keine (Therapie-)Erfahrung im Umgang mit deinen inneren Anteilen hast, so scheue dich bitte nicht, dich zunächst eine Weile therapeutisch begleiten zu lassen. Gerade kritische Anteile können uns auf tiefere Themen hinweisen. Ein Therapeut kann bei der Aufarbeitung und dabei, einen Umgang mit den kritischen Anteilen und belastenden Gefühlen zu finden, unterstützen.
*Gemeint sind immer Frauen, Männer und Diverse. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwandt.
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