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AutorenbildVanessa K

Ungleiche Freundschaften


Es endete mit nichts. Genauer gesagt mit dem Ignorieren eines Geburtstages. Vermutlich aber auch schon vorher. Ein schleichender Prozess. Die Rede ist vom Auslaufen einer langen Freundschaft. Wusstest du es: Das Ende dieser kann ebenso schmerzen, wie das Ende einer Liebesbeziehung. Schließlich hat uns auch einiges mit dem anderen Menschen verbunden und wir haben Freude und Leid geteilt plus gemeinsame Erinnerungen geschaffen.


Meist war Annalena* diejenige die sich regelmäßig per Telefon oder WhatsApp meldete. Sie schlug auch die Treffen und Aktivitäten vor. Mia willigte oft ein, von sich aus schlug sie aber nichts vor. Viele Jahre ignorierte Annalena das, denn ihr war die Freundschaft zu Mia wichtig. "Sie ist eine meiner engsten Freundinnen", erzählte sie anderen gerne. Und ihre Treffen waren auch meist schön. Irgendwann - sie machte zu der Zeit eine Therapie - fiel ihr das Ungleichgewicht dann doch mehr auf. Sie wünschte sich mehr Ausgewogenheit und gegenseitiges Interesse. Erste Zweifel stiegen in ihr hoch. Sie suchte daher das Gespräch mit der Freundin. Diese reagierte verständnisvoll und sagte: "Ist ja schade, dass du es mir überhaupt sagen musst." Annalena freute sich. Sicher würde es nun anders werden. Es änderte sich jedoch nichts. Da ihr die Freundschaft weiterhin wichtig war, meldete sie sich dennoch von sich aus bei Mia. Der Frust wurde jedoch immer größer und sie engagierte sich mit der Zeit deutlich weniger. Irgendwann kam dann sogar eine Nachricht von Mia, dass sie sich freuen würde, wenn sie sich mal wieder treffen würden. "Na guck", dachte Annalena. Und dennoch änderte sich auch danach nichts. Sie trafen sich weiterhin ab und zu, jedoch fiel Annalena immer mehr auf, dass sie sich nicht mehr so wohl in dem Kontakt fühlte. "Vielleicht, weil es so einseitig gewesen ist und du dich weiterentwickelt hast?", hakte ihre Therapeutin in einer der Sitzungen nach. "Oder weil ihr beide euch in unterschiedliche Richtungen entwickelt habt?", bot sie ihr noch an. "Womöglich", sagte Annalena nachdenklich. "Sie hat sich aber auch mehrfach negativ über andere geäußert und sogar mal in größerer Runde vor mir über mich gelästert. Bei sich selbst hat sie irgendwie nicht näher hingeschaut. So mein Eindruck." Ihre Therapeutin sah sie an. "Das klingt nicht so wertschätzend. Möchtest du denn von deiner Seite aus die Freundschaft weiterführen?" Sie musste nicht lange nachdenken: "Nein. Es ist mir zu anstrengend geworden. Sie ist und bleibt ein Mensch, den ich auch gerne mag. Aber wir haben uns scheinbar wirklich in unterschiedliche Richtungen entwickelt." Frustriert hat sie verständlicherweise, dass Mia den Kontakt dann ohne ein Wort beendet hat. "Meine letzte Frage nach einem Treffen hatte sie bejaht und wollte sich dann eigentlich nach ihrem Urlaub dazu melden." Aber wieder nichts. In die ehemalige Freundin kann sie natürlich nicht reinschauen. "Irgendwie passt das Ende ja dazu, wie sich unsere Freundschaft über die Jahre gestaltet hat", fasst sie zusammen.

 

Bedürfnisse erkennen

In ihren weiteren Sitzungen fand Annalena u. a. heraus, warum sie sich häufig mehr um andere bemüht, als andersherum und was ihr in Beziehungen, wozu auch Freundschaften zählen, wichtig ist. Z. B. mehr Ausgewogenheit und Kommunikation, auch was mal unangenehme Dinge angeht. Sie lernte sich selbst noch besser kennen und verbesserte den Zugang zu ihren Gefühlen, Körperwahrnehmungen und ihrer Intuition. So lässt sie sich heute mehr Zeit beim Aufbau von Kontakten und geht dabei bewusster vor. "Mir tut es gut, in Ruhe zu schauen, welche Menschen ich in meinem nahen Umfeld haben möchte", sagt sie. Einige Monate später traten tatsächlich neue Menschen in ihr Leben, die den Kontakt zu ihr ebenso pflegten, wie sie es andersrum tat. „Darüber freue ich mich sehr. Ich vermisse aber nach wie vor einige Dinge aus der Freundschaft mit Mia, die eben nur wir zusammen hatten. Trotzdem wäre es für mich so nicht mehr weiter gegangen. Das hätte nur zu anhaltendem Frust geführt“, schließt sie. Natürlich ist es etwas individuelles, welche Art von Freundschaften und Kontakten ein Mensch führen möchte. Ebenso, was man als ausgewogen empfindet oder zu akzeptieren bereit ist. Wenn man sich aber über längere Zeit unwohl fühlt und Gespräche ins Leere laufen, sollten wir uns selbst fragen, was wir wollen. Andere Menschen können wir nicht ändern, uns aber schon. Und auch, wenn nicht alle Freundschaften und Beziehungen ein Leben lang halten, so können Abschiede und persönliche Weiterentwicklung wiederum die Türen für neue und passendere Kontakte öffnen.

Es kann selbstverständlich auch ganz anders als in dem hier beschriebenen Fall laufen; offene Gespräche führen dann zur gewünschten Veränderung oder auch zu einem Perspektivwechsel und mehr gegenseitigem Verständnis bzw. Kompromissen, mit denen beide Seiten gut leben können. Es findet dann eine gemeinsame Entwicklung statt.



*Namen geändert

 

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