Neulich Abend war ich mit meiner Freundin Mirela (Name geändert) etwas essen. Ihr ging es nicht gut. Wegen eines Mannes. Sie hatte ihn vor kurzem bei einem Speeddating kennengelernt und schnell gespürt - genau genommen hatte sie auch nur wenige Minuten, bis ihr der nächste Mann gegenüber saß - dass sie ihn gut fand.
Sie hatten sich danach ein paarmal getroffen und er hatte sie sogar schon in seine Heimat eingeladen. Nachdem alles feststand, ghostete er sie. Kurzerhand war sie trotzdem hingefahren, denn das Hotel war bereits gebucht. Sie gab ihm kurz Bescheid. Nichts. Wir vermuteten kalte Füße, vielleicht weil sie ihm von einigen ihrer Pläne erzählt hatte. Aber natürlich wussten wir es nicht, denn er schwieg ja. Und sie blieb ratlos und traurig zurück, da sie sich sehr eine neue Beziehung wünschte, nach mittlerweile mehreren Jahren als Single. Und diversen solcher unschönen Begebenheiten. Warum ist das so schwierig? An neuen Bekanntschaften mangelt es ihr nicht. Sie ist auf diversen Dating- und Partner-Apps unterwegs, seit neustem eben auch beim Speeddating und unternimmt viel. Dazu ist sie kommunikativ, intelligent und kann sich auch gut allein beschäftigen. An dem Abend wirkte sie auch resigniert auf mich. Wen wundert es, wenn sich das Dating seit Jahren so unangenehm gestaltet. Natürlich macht das etwas mit einem Menschen. Zwei Wochen zuvor erzählt mir eine andere Freundin, sie habe nun aufgegeben, weil sie es zu anstrengend findet mit dem Kennenlernen. Und ich selbst kenne solche Phasen aus meinem Leben auch. Das Problem ist weit verbreitet. Nicht umsonst werden Beziehungscoaches/ -therapeuten teilweise zu Stars in Social Media und Co. Endlich jemand der Bescheid weiß und hoffentlich einen Weg daraus kennt!
Sind wir übersättigt?
Eigentlich leben wir heutzutage im Dating-Überfluss und haben alle Freiheiten, die sich Frauen (und Männer! Gemeint sind immer beide) noch vor ein paar Jahrzehnten vermutlich gar nicht vorstellen konnten. Dementsprechend viele Singles gibt es auch. Auf faule Kompromisse hat kaum jemand Lust. Manche mögen das Leben allein auch, was natürlich ok ist. Viele wünschen sich jedoch eine Partnerschaft und verzweifeln ggf. während der Dating- und Kennlern-Phase, wenn diese anders als erhofft verläuft. Andere können sich angesichts des jederzeit verfügbaren Überangebots an Apps und Co. womöglich auch gar nicht erst entscheiden. Bleibt nur bei vielen die Sehnsucht doch irgendwann den Richtigen zu finden. Woran liegt das und warum kommt es bei manchen wiederholt zu Enttäuschungen?
Erstmal ist es so: Wir sind immer ein Teil des Ganzen. Wenn sich unser Date bzw. der Mensch, den wir gerade kennenlernen oder mit dem wir vielleicht auch schon in einer Beziehung sind, wiederholt ungünstig benimmt, uns z. B. ignoriert, häufig absagt, auch nach mehreren bis vielen Monaten nicht weiß, was er will und wir lassen es mit uns machen, obwohl es uns schlecht geht - vielleicht weil wir ihn mögen bzw. verliebt sind und hoffen, dass es sich zum Besseren wendet, sofern wir uns nur ausreichend bemühen - so ist dieses Verhalten von uns leider der Beitrag dazu.
Aber wenn erst der Richtige kommt, wird alles gut, so der Wunsch. Ist das wirklich so? Wie alles im Leben: Es kann so kommen. Häufiger bleiben wir jedoch in unseren Mustern. Bis wir diese erkennen und damit die Möglichkeit haben, sie verändern zu können.
Wie Beziehungsmuster entstehen
Unsere Eltern, immerhin unsere ersten Beziehungsvorbilder, haben sie uns meist vorgelebt und wir haben sie oder Teile von ihnen übernommen. Das passiert schon in der so genannten Prägephase. Manchmal sind diese erlernten Muster ungünstig für uns. Auch tiefgreifende Bedürfnisse, zum Beispiel nach emotionaler Verfügbarkeit und Nähe, wurden uns womöglich von beiden oder einem Elternteil/ einer nahen Bezugsperson nicht erfüllt. Spätere Beziehungen erinnern uns dann oft unbewusst daran und wir wiederholen in der Folge das frühere Erleben bzw. die Muster angepasst an die heutige Zeit. Ein Beispiel dazu: Wenn etwa der Vater früher emotional abwesend war, suchen wir uns womöglich auch heute Männer aus, die eher distanziert sind. Wir hoffen unbewusst, dass sie uns die früheren Bedürfnisse erfüllen und haben daher vielleicht einen großen Wunsch nach Nähe. Der distanzierte Partner reagiert darauf nicht selten abwehrend, indem er den Abstand vergrößert, was dann eine Spirale in Gang setzen kann. Da das alles oft unbewusst läuft, funktioniert auch die Kommunikation dazu meist nicht.
Der Schlüssel liegt in uns
Auch wenn der Beziehungswunsch groß ist und das Alleinsein schwerfällt: Andere Menschen können wir nicht ändern. Dass können sie nur selbst tun, wenn sie es wollen. Uns aber schon. Oft liegt hier auch ein wichtiger Schlüssel. Indem wir uns unsere Muster, Themen und (unerfüllten) Bedürfnisse bewusst mache, können wir sie bearbeiten. Manchmal geht das schneller. Manchmal benötigt es Zeit oder es sind nur kleine Schritte möglich. Das ist ok. Jeder Mensch ist anders und bringt unterschiedliche Erfahrungen mit. Scheue dich nicht, dich ggf. auch für eine Zeitlang professionell begleiten zu lassen. Wenn man bereits einige solcher Enttäuschungen erlebt hat und/ oder sensibel ist, können in Dating-/ Kennenlernphasen auch zusätzlich Methoden der Selbstregulation hilfreich sein (dazu gibt es in den nächsten Wochen noch einen eigenen Beitrag). Auch Tagebuch schreiben und Meditation/ Achtsamkeit zähle ich dazu. Und immer mal wieder Pausen machen, um sich bewusst Zeit für sich zu nehmen. Indem wir uns selbst bewusster werden, erkennen wir unsere Bedürfnisse und Grenzen besser und können sie dem anderen mitteilen. Wir kommen ins Gespräch und können so bestenfalls gemeinsam schauen, was für Wege möglich sind. Auch macht es Sinn, jemanden in Ruhe kennenzulernen. Gerade, wenn man weiß, dass man schnell Gefühle entwickelt oder gleich die gemeinsame Zukunft in Gedanken plant. Wir können so früh noch nicht wissen, was und wie sich was entwickelt.
Ich wünsche dir, dass bei allem oder trotz allem, auch (wieder) Freude, Leichtigkeit und Neugierde auf den anderen Menschen, den du vielleicht gerade kennenlernst, dabei sein darf. Und dass du dir selbst die Zeit für Entwicklung nehmen kannst.
P.S.: In dem Beitrag geht es um monogame Beziehungen und den Wunsch danach. Natürlich sind auch alle anderen Beziehungs- und Datingformen in Ordnung, nur hier nicht Gegenstand. Auch kann der Text zu dem Thema keine Therapie/ Beratung ersetzen. Er zeigt einige Aspekte dazu auf, kann jedoch in der Kürze nicht alles dazu umfassen.
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